Ladeinfrastruktur der EnBW mit Ladestationen für Elektroautos

Zukunft Elektromobilität: Wie sollen 15 Mio. Elektrofahrzeuge geladen werden? 

Elektroautos brauchen Ladestationen. Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur geht parallel mit dem Anstieg der Zahl der elektrischen Fahrzeuge zügig voran. Aber in welche Richtung entwickelt sich die Ladetechnologie? Wir haben darüber mit Lars Walch von der EnBW AG gesprochen, der Betreiberin des größten Schnellladenetzes in Deutschland.

Die nachhaltige Mobilitätswende ist in vollem Gange. Klar ist: Die individuelle Mobilität und der Transport von Waren und Gütern müssen klimaneutral organisiert werden. Das soll maßgeblich durch die Elektrifizierung dieses Sektors erreicht werden – Stichwort Elektromobilität. Als zentralen Meilenstein in diesem Prozess hat die Europäische Union beschlossen, ab 2035 nur noch klimaneutral betriebene Pkw zuzulassen.

Der Fahrplan auf der Verbraucherseite ist also klar, aber wie sieht es mit der Ladeinfrastruktur aus? Elektroautos benötigen Ladestationen, private oder öffentliche, um die Energie für die elektrischen Antriebe aufzunehmen. Aktuell decken in Deutschland rund 100.000 öffentliche Ladepunkte mit unterschiedlichen Leistungsstärken den Ladebedarf der existierenden E-Autos. 2030 werden, so die Annahme der Bundesregierung, allerdings 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Damit die auch im öffentlichen Raum eine geeignete Ladeinfrastruktur vorfinden, wird diese massiv ausgebaut. 

Einer der größten Betreiber von Ladeinfrastruktur ist das Energieunternehmen EnBW. Beim schnellen und beim ultraschnellen Laden, also bei Ladepunkten mit einer Leistung bis zu 300 kW, betreibt die EnBW mit inzwischen mehr als 900 Standorten sogar das größte Netz in Deutschland. Wir haben uns mit Lars Walch unterhalten, Vice President Sales und Prokurist bei der EnBW mobility+ AG. Sie ist eine Konzerntochter, in der das Geschäft der Ladeinfrastruktur bei der EnBW gebündelt wurde. Denn neben den eigenen Ladestationen hat die EnBW mit der EnBW mobility+ App eine in Deutschland führende, betreiberübergreifende Lade-App geschaffen. Über 400.000 Ladepunkte können Nutzer*innen der App damit inzwischen europaweit finden, nutzen und den geladenen Strom bezahlen – zu einheitlichen Tarifen.

„Wir sind Pioniere beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos“

natürlichZukunft: Herr Walch, Sie haben bei der EnBW von Beginn an den Aufbau der Ladeinfrastruktur begleitet. Wann wurde eigentlich die erste Ladestation der EnBW live geschaltet?

Lars Walch: Wir sind ja Pioniere bei der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Die erste öffentliche Ladestation haben wir schon 2010 in Betrieb genommen. 2012 haben wir dann Stuttgart flächendeckend mit AC-Ladeinfrastruktur ausgestattet. Zwischenzeitlich hat sich die Ladetechnologie aber weiterentwickelt – und wir haben frühzeitig auf den konsequenten Ausbau von Schnellladeinfrastruktur gewechselt.

Begonnen hat das 2016, als wir die erste Kooperation im Bereich Schnellladen mit dem Raststättenbetreiber Autobahn Tank & Rast eingegangen sind. Damit haben wir den Wandel weg von den AC-Ladestationen hin zum Schnellladen vollzogen. Und wir sind damit auch zu einem bundesweiten Anbieter geworden, weil Tank & Rast ja an den Autobahnen bundesweit tätig ist und wir davon jeden dritten Standort mit Schnellladestationen ausgestattet haben. Heute betreiben wir mit mehr als 900 Standorten das bundesweit größte Schnellladenetz.

natürlichZukunft: Was ist die Motivation, sich bei den öffentlichen Ladepunkten von diesen sogenannten Normalladern, also den Ladestationen mit maximal 11 kW bzw. 22 kW Leistung, zu verabschieden, und sich auf das schnelle Laden mit den HPC-Stationen zu konzentrieren?

Lars Walch: Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Der wichtigste ist immer das Interesse der Kund*innen, also die Frage, was ihm am meisten nutzt. Natürlich wird es Zuhause oder am Arbeitsplatz das AC-Laden weiter geben, keine Frage. Aber beim öffentlichen Laden halten wir das Schnellladen aus Kundensicht für die klar bessere Variante. Das kann man einfach besser in den Alltag integrieren, sei es auf der Langstrecke an der Raststätte, an der man mit High Power Charging in einigen Minuten Strom für ein paar weitere hundert Kilometer Strecke laden kann. Oder beim Einkaufen, wo man sich ganz nebenbei mit ausreichend Strom für die nächste Woche versorgt und damit die Fahrt zur Tankstelle spart. So ist die Logik. 

Porträt Lars Walch Manager Elektromobilität EnBW
Lars Walch ist Vice President Sales und Prokurist bei der EnBW mobility+ AG

Der zweite Grund ist die Machbarkeit im Ausbau der Ladeinfrastruktur. Man kann mit einem Schnellladepunkt, ganz simpel gesagt, deutlich mehr Kund*innen mit Ladestrom versorgen. Um das zu veranschaulichen: Wenn wir das Ladeangebot von unserem größten Standort am Kamener Kreuz statt mit 52 Schnellladepunkten mit AC-Ladern bieten wollen würden, bräuchte es dafür 1.000 Ladepunkte. Das ist das Parkplatzangebot eines Einkaufszentrums. Und, natürlich: Für das Laden auf Fernverkehrswegen, wo es schnell gehen muss, ist das schlichtweg nicht nutzbar. Letztlich ist das Schnellladen unserer Meinung nach deshalb die einzige gangbare Variante bei Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur. 

natürlichZukunft: Neben dem Aufbau und dem Betrieb eigener Ladestationen ist die EnBW im Bereich Elektromobilität inzwischen stark mit der EnBW mobility+ App vertreten. Über 400.000 Ladepunkte in ganz Europa kann man damit nutzen. Wie ist das entstanden?

Lars Walch: Inzwischen können wir über 2 Millionen Downloads der App verzeichnen. Das ist ungefähr die Zahl der batterieelektrischen Pkw und der Plug-in-Hybrid-Autos, die es in Deutschland insgesamt gibt. Das Feedback, das wir bekommen, ist durchgehend positiv. Wir haben dafür auch mehrere Auszeichnungen erhalten, z. B. von connect oder der AutoBILD. Der Grund für die App liegt in unserem Selbstverständnis als Energieunternehmen mit einem Endkundengeschäft: Wir suchen den direkten Kontakt mit den Kund*innen. Den brauchen wir, um das Ökosystem dieser Technologie um den Kunden herum systematisch weiterzuentwickeln. Die App ist die Schnittstelle zu unseren Kund*innen für uns.

„Die Hochverfügbarkeit ist für die EnBW als Marktführerin ein Schlüssel für die Akzeptanz der E-Mobilität und die Wahrnehmung als Qualitätsführer.“

natürlichZukunft: Welche Rolle spielt das Thema Elektromobilität inzwischen bei der EnBW? Diese 400.000 Ladepunkte zu organisieren, ist ja bestimmt keine kleine Aufgabe …

Lars Walch: Die Informationen für die App kommen meist über digitale Informationssysteme, das funktioniert heute schon sehr gut. Aktuell haben wir im Bereich Elektromobilität etwa 140 Mitarbeitende und nochmal etwa die gleiche Anzahl Menschen, die uns im EnBW-Konzern zuarbeiten.

Der größte Aufwand entsteht durch den Aufbau und Betrieb der eigenen Ladeinfrastruktur. Also die Sicherung der Standorte, der Aufbau der Infrastruktur und der Service für den Betrieb. Unsere Ladeinfrastruktur wird ja immer flächendeckender, denn wir wollen nah am Kunden und seinen Bedürfnissen sein. Wir erhalten da wirklich gutes Feedback, was den Service und die Verfügbarkeit unserer Ladepunkte betrifft. Das ist uns sehr wichtig, denn die Hochverfügbarkeit – möglichst nahe an 100 Prozent – ist ein Schlüssel für die Akzeptanz der E-Mobilität und für die Wahrnehmung als Qualitätsführer im Markt. Dasselbe gilt für unsere Servicequalität.

natürlichZukunft: Welche Standorte werden für den Aufbau von Ladeinfrastruktur bevorzugt ausgewählt? Die Raststätten an den Autobahnen für den Fernverkehr hatten wir schon erwähnt, aber wie stellt sich das in der Fläche dar?

Lars Walch: Wir unterscheiden im Wesentlichen zwei Anwendungsszenarien. Das eine ist die Ladeinfrastruktur im Fernverkehrsnetz, die sich wie ein Grundgerüst quer über die Republik legt. Hier geht es darum, in kürzester Zeit den Akku wieder vollzukriegen. Unser Kooperationspartner dort ist die Autobahn Tank & Rast. Wir suchen, bauen und betreiben aber auch eigene Standorte, mit denen wir dieses Netz immer feinmaschiger ausgestalten. 

Der zweite Aspekt ist der Ausbau in der Fläche. Da bevorzugen wir Standorte bei Einzelhändlern. Wir haben daher Kooperationen mit Unternehmen wie REWE, DM oder Bauhaus, wo wir uns in den Alltag der Kunden integrieren können. So ist es nicht mehr nötig, zu einer Tankstelle oder Ähnlichem zu fahren wie in der alten Verbrennerwelt. Sie sollen einfach beim Einkaufen nebenher laden können. Dann spart man sogar Zeit beim Laden gegenüber dem klassischen Tanken. Bei diesen Partnern steht außerdem Fläche für die Stationen zur Verfügung. Wir benötigen insbesondere Flächen, um mit dem Hochlauf der Anzahl der zugelassenen Elektrofahrzeuge mitwachsen zu können. Die Standorte sollen eben möglichst nicht nur den Bedarf von heute, sondern den der kommenden Jahre abdecken.

15 Mio. Elektroautos mit 130.000 – 150.000 Schnellladern versorgen

natürlichZukunft: Womit wir beim Thema Zukunft wären. Wie wird sich das mit den Ladestationen Ihrer Vorstellung nach entwickeln? Wenn wir das richtig verstehen, werden wir also keine langen Reihen von kleinen Ladestationen am Straßenrand in den Städten sehen oder was kann man da erwarten?

Lars Walch: Das ist richtig. Im öffentlichen Raum wird das Schnellladen der Schlüssel für die Versorgung mit Ladestrom sein. Wir denken etwa an Ladehubs, zum Beispiel bei Einkaufszentren. Hier haben die Kund*innen eine vergleichsweise kurze Verweildauer und laden schnell nebenher. Auf eine Unzahl an vielen langsamen Ladepunkten an ganz vielen Standorten zu setzen, halten wir im öffentlichen Raum nicht für den richtigen Weg. Zudem benötigt man für 15 Millionen Elektroautos auch nicht die oft zitierten 1 Million langsamen Ladepunkte. Vielmehr braucht es 130.000 – 150.000 Schnellladepunkte, um diese Zahl an Fahrzeugen im öffentlichen Raum mit Lademöglichkeiten zu versorgen. Und unsere Ambition ist es, davon dann jeden fünften Ladepunkt bereitzustellen. Die genannte Gesamtzahl halten wir für vernünftiger, weil man dafür dann auch weniger Platz braucht. Platz ist ein kostbares Gut, vor allem in den Städten. 

natürlichZukunft: Immer wieder in der Diskussion ist die Belastung der Stromnetze durch die Ladestationen. Wie wird das organisiert? Müssen die Netze weiter ertüchtigt werden, damit nicht alles zusammenbricht, wenn alle gleichzeitig laden?

Lars Walch: In Zuge des deutschlandweit führenden und vom BMWK-geförderten Projekt flexQgrid haben die Kolleg*innen bei Netze BW nachgewiesen, dass sich die bestehenden Netze mithilfe von Smart Metern effizienter auslasten lassen. Die intelligente Steuerung ermöglicht es, Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen, Wärmepumpen oder Solaranlagen schnell zu integrieren und ohne wesentlichen Komfortverlust individuell einzusetzen. Das schont Ressourcen und macht den Netzbetrieb zukunftssicher.

Unsere Schnellladestandorte sind mit Transformatoren ausgerüstet und wir sind natürlich immer in engem Kontakt mit den lokalen Netzbetreibern. Die richten dann den Netzanschluss entsprechend ein. Mit dem weiteren Hochlauf der E-Mobilität – aber auch durch die neuen Anforderungen im Zuge der Energiewende – muss in den Aus- und Umbau der Stromnetze investiert werden. Am bedarfsgerechten Ausbau arbeiten die Netzbetreiber, wie etwa die Netze BW, mit Hochdruck und stellen so die Zukunftsfähigkeit und Verlässlichkeit der Netzinfrastruktur sicher.  

natürlichZukunft: Es wird manchmal bemängelt, dass das Umfeld der Ladestationen nicht besonders attraktiv sei: keine Überdachung bei Regen, fehlende Infrastruktur wie Toiletten oder Kaffeebar. Inwieweit werden solche Angebote bei der Planung Ihrer Ladeparks berücksichtigt?

Lars Walch: Ein Kriterium bei der Standortauswahl ist für uns, dass eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht, um die Aufenthaltsqualität sicherzustellen und man sich die Ladezeit sinnvoll vertreiben kann. Dieser Faktor spielt bei der Standortwahl eine wichtige Rolle, wobei das an den Raststätten oder auch beim Einzelhandel in der Regel von vornherein gegeben ist. Wenn wir allerdings einen Standort ins Auge fassen, der verkehrsmäßig günstig liegt, etwa an einem wichtigen Autobahnkreuz, und wir dort keine Infrastruktur vorfinden, dann werden wir entsprechende Lösungen anbieten. Das kann etwa ein WC sein, wie an unserem Standort am Kamener Kreuz oder ein Lebensmittelautomat wie am Ladepark in Bispingen.

Der Trend zu immer größeren Ladeleistungen: Megawatt-Charging für Lkw ab 2025

natürlichZukunft: Vielleicht noch mal einen Blick in die Zukunft der Ladetechnik. Gibt es da Innovationen, die Sie für vielversprechend halten und die wir in nächster Zeit erwarten können? Was ist z. B. von der Idee des induktiven Ladens zu halten, was eventuell das Laden während des Fahrens ermöglichen könnte?

Lars Walch: Die Technik wird sich immer weiterentwickeln und der Fortschritt hat seine Grenzen letztlich nur in der Physik und durch das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Aktuell gehen wir davon aus, dass sich vor allem die Ladeleistung immer weiter erhöhen wird. Da ist einfach der Kundennutzen der entscheidende Faktor, der vielleicht nur von den Kosten limitiert wird: Man will einfach so schnell wie möglich laden.

Wir sehen ja die enorme Entwicklung der Ladeleistung in den letzten Jahren. Vor sechs oder sieben Jahren haben wir noch von 50 kW gesprochen und inzwischen sind 150 oder 300 kW der Mainstream. Die nächste Generation der Ladestationen kann schon bald 400 kW, was die Fahrzeuge allerdings so noch nicht abrufen können. Aber das wird sich in diese Richtung iterativ weiter hochschaukeln. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten zehn Jahren dann 500 kW Leistung sehen werden. Und wenn wir das Thema Lkw betrachten, da reden wir dann vom Megawatt-Charging, also 1.000 kW. Diese Fahrzeuge benötigen noch größere Speicher und große Speicher brauchen eben auch große Ladeleistung, wenn die Ladedauer nicht steigen soll. 

Links:

Infos zu den Plänen der Bundesregierung zum Ausbau der Ladeinfrastruktur finden Sie hier


  1. Machanek

    und woher soll die riesenm enge Strom herkommen???

    • Redaktion natürlichZukunft

      Wenn man von einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 15.000 km pro Fahrzeug und von einem (relativ hohen) Durchschnittsverbrauch von 20 kWh pro 100 km ausgeht, dann ergibt sich bei 15 Mio Elektroautos ein Strombedarf von 45 Terawattstunden. Insgesamt betrug der Stromverbrauch in Deutschland im Jahr 2022 484 TWh. Das bedeutet, der Strombedarf für 15 Mio Elektroautos macht weniger als 10 % des aktuellen Strombedarfs in Deutschland aus. Im Idealfall schreitet der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin mit schnellen Schritten voran, um auch diesen Bedarf durch grünen Strom decken zu können. Viele Grüße, das Team von natürlichZukunft

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