Gas-Aufbewahrungs-Tanker

Erd­gas als Brü­cke in die Welt der erneuer­baren Ener­gien

Erdgas ist zwar ein fossiler Energieträger, schließt aber eine wichtige Lücke bei der Herstellung der Versorgungssicherheit in den nächsten Jahrzehnten. Warum Erdgas eine entscheidende Brückentechnologie bei der Energiewende darstellt, erläutert unser Experte Florian Siebert.

Der Umbau der Energieerzeugung in Richtung erneuerbarer Quellen ist beschlossene Sache, jedoch in der Praxis eine komplexe Angelegenheit. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Erzeugung aus Wind, Sonne und auch Wasser aufgrund natürlicher Gegebenheiten stark schwankt. Die Versorgungssicherheit steht damit in Frage.

Diese Lücke könnte der fossile Energieträger Erdgas zumindest zeitweise schließen. Denn damit betriebene Gaskraftwerke sind sehr flexibel einsetzbar und verursachen wesentlich weniger CO2 als Öl oder Kohle. Zudem existieren bereits große Gasspeicher, die als Rückgrat eines erneuerbaren Energiesystems dienen können. Erdgas könnte somit eine wichtige Brückentechnologie in der Energiewende sein und kann durch die Beimischung erneuerbarer Gase wie z. B. Biomethan oder Wasserstoff ins bestehende Erdgasnetz schrittweise selbst dekarbonisiert werden.

Regenerative Energie ist abhängig vom Wetter

56 % des deutschen Stromverbrauchs stammten im Jahr 2023 bereits aus erneuerbaren Energien.1 Dieser Anteil ist in den letzten 30 Jahren kontinuierlich angestiegen und wird seit 2000 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beflügelt. Allerdings steht ein großer Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien nicht konstant zur Verfügung, sondern ist vom Wetter abhängig.

Auf der Seite „Energy Charts“ des Fraunhofer-Instituts kann man dieses Phänomen live beobachten: Dort wird sichtbar, zu welchen Tageszeiten, welcher Energieträger wie viel zur Stromerzeugung beiträgt. So gibt es täglich um die Mittagszeit eine besonders hohe Stromerzeugung aus Solaranlagen.

Die Stromerzeugung aus Windkraft hingegen hängt weniger von der Tageszeit, sondern von Wetterlagen ab, die auch länger andauern können. Windkraftanlagen auf See (Offshore-Windkraftanlagen) produzieren dagegen etwas konstanter Strom als Windkraftanlagen auf dem Festland (Onshore-Windkraftanlagen), weil auf dem Meer ein konstanterer Wind herrscht.

Die Wasserkraft liefert über einen Tag gesehen sehr konstant Strom, ist aber von den Jahreszeiten abhängig: Im Frühjahr ist nach der Schneeschmelze deutlich mehr Wasser in den Flüssen als in trockenen Sommern.

Erneuerbare Erzeugung erfordert besondere Anstrengungen

Seit es eine öffentliche Stromversorgung gibt, haben wir uns als Gesellschaft daran gewöhnt, dass zu jeder Zeit Strom zur Verfügung steht. Jahrzehntelang wurde dieses Versprechen durch einen fossil-nuklearen-Kraftwerkpark ermöglicht, in dem Wasserkraft und Pumpspeicherkraftwerke nur einen kleinen Anteil der Stromerzeugung ausmachten.

Steigt nun der Anteil erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung, wird diese immer volatiler – also abhängiger von Uhrzeit, Jahreszeit und Wetterlage. Um trotzdem zu jeder Zeit Strom nutzen zu können, muss also ein Ausgleich zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch geschaffen werden. Dies kann prinzipiell auf drei Weisen geschehen:

  1. Import und Export von Strom
  2. Speicher
  3. Variable Erzeugung

Grenzüberschreitende Netzstabilisierung

Schon heute wird innerhalb des europäischen Stromnetzverbunds täglich Strom über Staatsgrenzen hinweg transportiert. Wenn aber Nachbarstaaten weniger stark auf erneuerbare Energien setzen als Deutschland, bedeutet das, dass Stromimporte letztendlich dafür sorgen, dass wir in Deutschland weniger Emissionen verursachen und dafür Nachbarstaaten mehr.

Zum Ausgleich kurzfristiger Engpässe ist internationale Stromhandel also ein probates Mittel – soll aber echter Klimaschutz funktionieren, ist der Austausch nur nachhaltig, wenn die Nachbarstaaten Deutschlands den Anteil erneuerbarer Energie in gleichem Maße erhöhen wie Deutschland.

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Power-to-Gas löst Speicherproblematik

Speicher sind entscheidend, um Erzeugungs- und Verbrauchsmengen zeitlich auszugleichen. Um in einem 100 %-Erneuerbaren-Strommix zu jeder Zeit Strom bereitstellen zu können, sind Speicher in einer Größenordnung von 44 TWh nötig.2 Batteriespeicher gibt es aber bisher nur im MWh-Maßstab, und selbst große Fernwärme-Speicher operieren im GWh-Maßstab.

Zwischen diesen Lösungen und dem Speicherbedarf für ein vollständig erneuerbares Stromsystem liegt also ein Größenunterschied vom Faktor 1.000.000 für Batterien bzw. 1.000 für Fernwärme-Speicher. Nur chemische Speicher, die Energie in Form von Gas speichern, können die riesigen Speichervolumen bereitstellen, die ein erneuerbares Stromsystem benötigt.3 In diesen wird per Elektrolyse mit erneuerbarem Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt und in Untergrundspeichern oder im Gasnetz gespeichert.

Diese Technologie wird als Power-to-Gas bezeichnet. Untergrundspeicher gibt es in Deutschland bereits seit Jahrzehnten. Sie werden bis heute als Reserve für Erdgas genutzt und ihr Speichervolumen beträgt insgesamt 280 TWh.4 Allerdings sind Batterie- und Power-to-Gas-Speicher heute noch nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Stromerzeugung in Gaskraftwerken notwendig für Versorgungssicherheit

Eine variable Stromerzeugung ist also entscheidend, um die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien dem Stromverbrauch anzupassen. Kernkraftwerke sind dazu nicht geeignet, da sie nur zu Wartungsarbeiten heruntergefahren werden und ansonsten durchgängig betrieben werden müssen.

Bestands-Kohlekraftwerke benötigen zehn Stunden vom Stillstand bis zur Volllast, Gasturbinen hingegen nur sechs Minuten.5 Noch schneller, nämlich innerhalb von Sekunden, können Pumpspeicherkraftwerke ihre Spitzenleistung erreichen, indem zuvor hochgepumptes Wasser auf eine am Fuß eines Berges installierte Turbine trifft. Da dies aber nur in bestimmten Gebirgsformationen möglich ist, sind Gaskraftwerke aus heutiger Sicht notwendig, um Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu sichern.

Gaskraftwerke sind daher im Stromsektor die idealen Partner der erneuerbaren Energien. Auch Greenpeace spricht sich daher für neue Gaskraftwerke als Brückentechnologie in das Zeitalter eines rein auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems aus.6

Neben ihrer Flexibilität sprechen für Gaskraftwerke im Vergleich zu anderen fossilen Kraftwerken ihre niedrigen CO2-Emissionen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes sowie des Weltklimarats liegen die Verbrennungsemissionen von Erdgas bei 201 g CO2/kWh. Die spezifischen Verbrennungsemissionen beispielsweise von Benzin liegen 23 % darüber, die Emissionen von Steinkohle sogar 91 % darüber.7

Biogas sorgt für Dekarbonisierung

Gas ist aber nicht nur in der Stromerzeugung eine Brückentechnologie hin zu erneuerbaren Energien. Insgesamt werden heute nur 12 % des Erdgases in Deutschland für die Stromerzeugung verwendet, der Rest entfällt insbesondere auf die Industrie sowie auf Erdgasheizungen sowie in kleinerem Umfang auf gasbetriebene Fahrzeuge. Auch diese Sektoren werden schrittweise auf erneuerbare Energien umsteigen – aber auch hier kann Gas einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.

Gas selbst ist zwar ein fossiler Energieträger, kann aber durch die Beimischung von erneuerbaren Gasen schrittweise immer grüner werden. Ein Weg dazu ist der verstärkte Einsatz von Biomethan aus Abfall, Reststoffen und Pflanzen. Ein anderer Weg ist die Power-to-Gas-Technologie, die nicht nur für die Energiespeicherung, sondern auch für die Herstellung erneuerbarer Gase z.B. für den Verkehrs- und Wärmemarkt interessant ist.

Diagramm Vergleich der CO2-Emissionen unterschiedlicher Energieträger
Vergleich der CO2-Emissionen unterschiedlicher Energieträger auf der Basis des CO2-Äquivalent. Die Einheit CO2-Äquivalent versucht sowohl die direkten als auch die indirekten Emissionen (z.B. das Entweichen von klimaschädlichen Gasen durch Produktion und Transport) zu betrachten.

Erdgas ist der ideale Partner der Erneuerbaren

Bereits heute wird Gas vielfältig genutzt, allerdings als fast ausschließlich fossiler Energieträger. Die bestehende Gasinfrastruktur und die Verbrauchseinrichtungen wie etwa Gasheizungen können aber mit erneuerbaren Gasen weiter betrieben werden.

Wie im Stromnetz ist also ein schrittweiser Übergang von fossilen Energieträgern zu erneuerbaren Energieträgern im Gasnetz möglich. Durch seine Anpassungsfähigkeit ist Erdgas ein idealer Partner der erneuerbaren Energien. In Zukunft wird grünes Gas eine noch stärkere Rolle einnehmen und als Rückgrat der Energieversorgung für Versorgungssicherheit und Klimaschutz zu jeder Uhrzeit, Jahreszeit und Wetterlage sorgen.

Zum Autor:

Bild von Florian Siebert, Mitarbeiter der Erdgas Südwest und Autor von "Erd­gas als Brü­cke in die Welt der erneuer­baren Ener­gien"
Bild von Florian Siebert bei der Erdgas Südwest

Florian Siebert ist Betriebswirt, Mechatronik-Ingenieur und Familienvater. Bei Erdgas Südwest kümmert er sich um die Planung neuer Anlagen zur Biogas-, Strom- und Wärmeerzeugung sowie um die Betriebsoptimierung von KWK- und Solaranlagen.

Belege
1 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/03/PD24_087_43312.html#:~:text=Mit%20einem%20Anteil%20von%2056,noch%2046%2C3%20%25%20betragen.
2 https://www.energybrainpool.com, S.26
3 https://www.bmwi.de, S.10
4 https://www.bundesnetzagentur.de, S.5
5 Wietschel, Martin et al.: Energietechnologien der Zukunft, Wiesbaden 2015, Springer Verlag, S.41 und S.63
6 https://www.greenpeace.de, S.13
7 https://www.umweltbundesamt.de

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