Stefan Kaufmann ist Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“

Grüner Wasserstoff – Mit Sonne, Wind und Wasser in die Zukunft

Grüner Wasserstoff ist die Energiequelle der Zukunft. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und setzt daher auf eine nationale Wasserstoffstrategie. Doch wie sieht die konkret aus? Ein Interview mit Dr. Stefan Kaufmann, dem Innovationsbeauftragen „Grüner Wasserstoff“ des BMBF über Chancen und Herausforderungen aber auch über Kritik an der neuen Technologie aus Wasser, Wind und Sonne.

Grüner Wasserstoff ist die Energiequelle der Zukunft. Ohne Grünen Wasserstoff wird es keine Klimawende geben. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und setzt daher auf eine nationale Wasserstoffstrategie. Doch welche konkreten Chancen liegen in der Energiegewinnung und welche Herausforderungen bringt sie mit sich? Und was ist dran an kritischen Stimmen, denen zufolge Grüner Wasserstoff aufgrund seines Imports am Ende auch nicht besser sei als andere Energiequellen? Wir haben mit Dr. Stefan Kaufmann, dem Innovationsbeauftragten „Grüner Wasserstoff“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, gesprochen.

natürlichZukunft: Herr Dr. Kaufmann, seit dem vergangenen Sommer sind Sie Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“. Was kann man sich unter dieser Tätigkeit konkret vorstellen?

Dr. Stefan Kaufmann: Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat sich die Bundesregierung ambitionierte Ziele gesetzt. Wir wollen aus erneuerbaren Energien gewonnenem Grünem Wasserstoff zum Durchbruch verhelfen. Grüner Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft und der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende und die Umsetzung unserer Klimaschutzziele. Gerade in der Industrie brauchen wir Grünen Wasserstoff, um wettbewerbsfähig zu bleiben: Stahl wird in Deutschland in Zukunft entweder mit Grünem Wasserstoff produziert oder gar nicht. Darüber hinaus sind Technologien rund um Grünen Wasserstoff eine Jahrhundertchance für den Export von Klimaschutztechnologien „made in Germany“. Das Innovationsland Deutschland kann zum Ausrüster einer globalen Grünen Wasserstoffwirtschaft werden. Als Innovationsbeauftragter arbeite ich auf allen Ebenen dafür, dass wir auf unserem Weg in eine Grüne Wasserstoffwirtschaft zügig vorankommen – die internationale Konkurrenz schläft nicht. Aber ich bin zuversichtlich: Die Aufbruchsstimmung in Deutschland ist riesig. Vom Global Player bis zum KMU, vom Bund bis in die Kommunen – viele haben die Chancen und Potentiale von Grünem Wasserstoff erkannt. Das ist Motivation und Ansporn. 

natürlichZukunft: Die Bundesregierung hat ja im letzten Jahr ihre Wasserstoffstrategie vorgestellt, die nun in die Umsetzung geht. Was genau kann man sich darunter vorstellen? Welche Schwerpunkte werden gesetzt? Welche energiewirtschaftlichen Sektoren sollen durch den Einsatz von Wasserstoff zunächst klimaneutral umgebaut werden?

Dr. Stefan Kaufmann: Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie haben sich die Ministerien auf ein kohärentes Programm für den Weg in die Wasserstoffwirtschaft geeinigt. Dazu umfasst die Nationale Wasserstoffstrategie einen Aktionsplan mit 38 Maßnahmen. Im Fokus steht dabei Grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien. Denn aus Sicht der Bundesregierung ist nur dieser Grüne Wasserstoff auf Dauer nachhaltig. Daher ist unser Ziel, Grünen Wasserstoff zu nutzen und für diesen einen zügigen Markthochlauf zu unterstützen sowie entsprechende Wertschöpfungsketten zu etablieren. Bis 2030 rechnet die Bundesregierung mit einem Wasserstoffbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden – das ist rund doppelt so viel wie heute.

In der Strategie nehmen wir insbesondere die Industrie und den Verkehr in den Blick. Gerade in diesen Sektoren, die sich zum Teil nicht oder nur schwierig elektrifizieren lassen, brauchen wir Grünen Wasserstoff, damit der Umstieg auf die Erneuerbaren gelingt. Etwa indem wir Eisenerz mit Wasserstoff anstelle von Koks verhütten oder im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr Benzin, Diesel und Kerosin durch synthetische Kraftstoffe ersetzen, die wir mit Grünem Wasserstoff herstellen können. 

Infografik Farbenlehre Wasserstoff
In dieser Grafik werden die 4 wichtigsten Arten von Wasserstoff erläutert und was sie unterscheidet: grüner, blauer, türkiser sowie grauer Wasserstoff. Grafik: Erdgas Südwest

natürlichZukunft: Der Import von Energie war in der Vergangenheit immer wieder verbunden mit manchmal heiklen geopolitischen Fragen, wie zum Beispiel die aktuelle Diskussion um russische Erdgaslieferungen durch mehrere neue Pipelines zeigt. Wie stellen sich derartige Fragen beim Import von Wasserstoff?

Dr. Stefan Kaufmann: Wir müssen uns im Klaren sein, dass Deutschland auch in Zukunft große Teile seines Energiebedarfs importieren wird. Grüner Wasserstoff erlaubt uns, auch hier von fossilen auf Erneuerbare Energie umzusteigen. Der große Vorteil von Grünem Wasserstoff ist dabei, dass man ihn prinzipiell überall dort produzieren kann, wo die Erneuerbaren günstig sind. Wind- und sonnenreiche Länder, von denen viele heute noch gar nicht an den Energiemärkten aktiv sind, eröffnen sich damit ganz neue Geschäftsmodelle und Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung. Sie können die Ölstaaten von morgen werden.

Für uns als Kunden heißt das, dass sich perspektivisch eine viel breitere Basis von Anbietern ergeben könnte. Daraus würden dann auch ganz andere Marktdynamiken, aber auch veränderte geostrategische und energiepolitische Rahmenbedingungen folgen. Mit afrikanischen Staaten, mit Australien und auch mit Saudi-Arabien sind wir beispielsweise bereits mit Blick auf mögliche Lieferpartnerschaften im Gespräch. Aber auch zum Beispiel in Kanada ist das Interesse sehr groß. 

natürlichZukunft: Welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um dieses Ziel zu erreichen?

Dr. Stefan Kaufmann: Das ist letztlich eine ganz einfache Rechnung: Grüner Wasserstoff braucht grünen Strom – und das reichlich. Wir müssen also unsere Erzeugungskapazitäten für Erneuerbare Energie weiter ausbauen – Überschussstrom allein wird nicht ausreichen. Wir brauchen also den Zubau von Wind und Photovoltaik im großen Stil; ich denke da vor allem an Offshore-Windprojekte in Nord- und Ostsee. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir die Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion intelligent, flexibel und netzdienlich betreiben können und in bestehende Strom- und Gasnetze integrieren. Idealerweise werden sie nah an die Stromquellen und nah zu den Verbrauchern gebaut. Die Planungen von AccelorMittal, in Hamburg direkt am Stahlwerk Elektrolyseure mit Windenergie von einem nahen Energieversorger zu betreiben, gehen da in die richtige Richtung. Ein anderer wichtiger Ansatz wäre es, durch geschickt platzierte Elektrolyseure Engpässe im Stromnetz zu reduzieren oder zu vermeiden.  

Das Ganze ist dabei aber nicht nur eine technische Frage: Wir brauchen auch ein richtiges Ordnungsrecht, das solche Lösungen auch möglich macht und anreizt. Darüber müssen wir jetzt beim Markthochlauf auch nachdenken.

natürlichZukunft: Um Grünen Wasserstoff importieren zu können, braucht es eine Lieferkette. Darüber hinaus stellen sich viele technologische Fragen, etwa bei der Herstellung von Grünem Wasserstoff in großem Stil. Welche Antworten liefert die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung darauf?

Dr. Stefan Kaufmann: Mit Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie und meiner Ernennung zum Innovationsbeauftragten hat das Bundesforschungsministerium den Ideenwettbewerb „Wasserstoffrepublik Deutschland“ gestartet. Damit haben wir Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingeladen, Ideen zu Wasserstoff-Großprojekten einzureichen. Trotz Pandemie haben uns innerhalb kürzester Zeit mehr als 30 Ideenskizzen unter Beteiligung von 120 Organisationen erreicht. Das Ergebnis sind drei industriegeführte Leitprojekte, die ich mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek vor kurzem vorgestellt habe. 

Sie bündeln die wissenschaftliche Exzellenz des Innovationslands Deutschland in Wissenschaft und Wirtschaft zu drei großen Herausforderungen der Grünen Wasserstoffwirtschaft: Bei der Serienfertigung von Elektrolyseuren, die zur Herstellung von Grünem Wasserstoff benötigt werden; bei der Produktion von Grünem Wasserstoff direkt offshore und bei der Entwicklung von Transportoptionen. Bis 2025 stellen wir allein für diese drei Leitprojekte 700 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket bereit. Das verdeutlicht: Der Bundesregierung ist es ernst mit dem Einstieg in eine Grüne Wasserstoffwirtschaft!

Infografik mit allen Maßnahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie NWS 2020
Übersicht über die zentralen Handlungsfelder der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS), wie sie von der Bundesregierung beschlossen wurden. Grafik: FFE

natürlichZukunft: Herr Dr. Kaufmann, Sie kommen viel herum, haben viele Kontakte mit Wissenschaftlern, Ingenieuren und Managern. Wie schätzen Sie die Stimmung ein: Ist Deutschland bereit für Grünen Wasserstoff?

Dr. Stefan Kaufmann: Die Aufbruchsstimmung bei Grünem Wasserstoff ist weltweit enorm. Der internationale Wettbewerb bei Forschung und Innovation zieht spürbar an. Das hilft bei der Suche nach den cleversten Lösungen: Konkurrenz belebt das Geschäft. Jetzt gilt es, im Rennen in der Spitzengruppe zu bleiben. Im aktuellen Markthochlauf brauchen wir alle: Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Dann können wir aus der Jahrhundertchance Grüner Wasserstoff den Wohlstand von morgen schöpfen.

Links

Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung – Download Informationsbroschüre.

Erdgas Südwest ist Mitglied der Wasserstoff Initiative Bayern & Baden-Württemberg H2 Süd. Gemeinsam arbeiten wir an der Entwicklung und Förderung von Wasserstofftechnologien. Mehr Informationen zur Initiative gibt es hier.

Foto oben: BMBF/© Jens Oellermann Fotografie

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