Innovationscampus Karlsruhe

„Wer zu lange an ein­em Geschäfts­modell fest­hält, ver­passt neue Chan­cen“

Auch der Energiemarkt ist von Themen, wie Energiewende, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz betroffen. Neue Trends und Chancen müssen rechtzeitig erkannt und darauf reagiert werden. Die EnBW gründete hierfür das Innovation Management, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu erproben.

Die Welt befindet sich im Wandel: Energiewende und Klimaschutz führen die politische Agenda an, Jugendliche begehren auf, Verbraucher fordern konkrete Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Vor dem eigentlichen Handeln stehen jedoch die Ideen und Konzepte, mit denen der Wandel langfristig gelingen kann. Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG hat hierfür das Innovation Management geschaffen, das sich der Aufgabe stellt. natürlich Zukunft hat mit ihrem Leiter Uli Huener über die Bedeutung von Trends, über Chancen und über seinen Anteil an der Zukunft der Energiebranche gesprochen.

Erdgas Südwest: Herr Huener, wieso braucht die EnBW so etwas wie ein Innovationsmanagement? Die Energie ist doch ein sicheres Geschäft, oder?

Uli Huener: Unser Markt ist seit Jahren im Umbruch, von der vermeintlichen Sicherheit der letzten Jahrzehnte ist nicht viel übriggeblieben. Der Kernenergieausstieg nach Fukushima, der Druck auf die konventionelle Erzeugung, die Diskussionen um einen Kohleausstieg: All das sind Aspekte, die unser Kerngeschäft massiv unter Druck setzen. Zudem verstärken aktuelle Trends wie zum Beispiel kleinteilige dezentrale Erzeugungsanlagen, Autarkie sowie Digitalisierung die Transformation und motivieren neue Akteure, in unseren Märkten aktiv zu werden.

In dieser Situation hilft ein Innovationsmanagement, frühzeitig Chancen zu erkennen, die aus dieser Dynamik entstehen. Bei der EnBW entwickelt das Innovationsmanagement darüber hinaus aktiv neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle auf Basis agiler, kundenzentrierter Methodik.    

Das ist wichtig: Trends frühzeitig erkennen und mit relevanten Akteuren vernetzen!

Erdgas Südwest: Wie stark beeinflussen Sie aktuelle Marktentwicklungen bei Ihrer Arbeit? Und wie schaffen Sie es, diese Entwicklungen frühzeitig zu erkennen?

Uli Huener: Das frühzeitige Erkennen von Marktentwicklungen und daraus entstehender möglicher Geschäfte ist elementar. Denken Sie einfach mal daran, wie lange wir gebraucht haben, um die Chance der Erneuerbaren Energien (EE) für uns zu verstehen. Wenn ein Geschäftsmodell über Jahrzehnte gut funktioniert, hält man leider oftmals zu lange daran fest und verpasst möglicherweise neue Chancen und den Eintritt in neue Märkte. Bei den Erneuerbaren ist uns der Umstieg noch rechtzeitig gelungen, es war aber ziemlich knapp. Das sollte uns bei der nächsten Marktentwicklung nicht passieren.

Die Instrumente des Innovationsmanagements helfen, Trends frühzeitig zu erkennen und sich mit den relevanten Akteuren zu vernetzen. Mit der EnBW New Ventures sehen wir beispielsweise sehr früh, wo Geld von Venture-Capital-Investoren investiert wird und welche Relevanz die jeweiligen Technologien und Geschäftsansätze für uns haben. Mit internen Start-ups verproben wir neue Geschäftsansätze direkt am Kunden und finden so direkt heraus, wie sie reagieren und welches Wachstumspotenzial in unseren Ideen steckt. Viele Ideen scheitern früh. Mit denen, die durchkommen, können wir möglicherweise neue Geschäftsfelder entwickeln und perspektivisch einen kommerziellen Beitrag leisten.

Ein Bild von Ulli Huener im Innovationscampus der EnBW in Karlsruhe
Ulli Huener (Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++)

Uli Huener ist Head of Innovation Management bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Vor seinem Wechsel zu den „innovativen Köpfen“ absolvierte er den Master of Science in Angewandter Mathematik am California Institute of Technology, bekleidete 25 Jahre lang Management-Positionen in der IT- und Telekommunikationsbranche und wechselte 2007 schließlich in die Welt der Energie. 2009 wechselte er nach Köln als Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft VSG der Yello Strom GmbH, im März 2012 wurde er ebenfalls Geschäftsführer der EnBW Vertrieb GmbH. Die Verantwortung für das Innovationsmanagement bei der EnBW AG hat er am 1. Oktober 2013 übernommen.

Neue Geschäftsmodelle auf dem Vormarsch.

Erdgas Südwest: Manchmal können neue auch bestehende Geschäftsmodelle ablösen. Das kommt bei der Belegschaft nicht immer gut an, oder? Wie begegnen Sie eventueller Kritik?

Uli Huener: Natürlich ist es immer schwer, wenn das, was man über Jahre entwickelt und begleitet hat, durch Neues abgelöst wird. Dennoch muss man eine Antwort auf die Frage haben, wie wir als Organisation mit kannibalisierenden Marktentwicklungen umgehen. Wir sind der Überzeugung, dass es besser ist, wenn wir selber von diesen Marktchancen profitieren, bevor wir das Spielfeld anderen überlassen, die uns möglicherweise Stück für Stück aus dem Markt drängen. Es gibt unzählige Beispiele aus anderen Branchen, wo man das aus Sicht eines Marktführers beobachten kann. Denken Sie an Nokia oder RIM/Blackberry – und das sind nur zwei von unzähligen Fällen der vergangenen Jahre.

Erdgas Südwest: Sie gründen basierend auf Mitarbeiter-Ideen interne Start-ups, die sich im EnBW InnovationsCampus der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle widmen. Verraten Sie uns, welche davon bereits zu Ausgründungen und Erfolgen geführt haben?

Uli Huener: Wir haben Anfang 2016 unsere erste Ausgründung vollzogen. WTT CampusOne ist eine digitale Lernplattform, die sich in den letzten Jahren erfolgreich im Markt positioniert hat. Die beiden Gründer sind ehemalige EnBW-Manager, die auch Gesellschafter dieses Start-ups sind. Liv-t ist unser Joint Venture in München, das den Oilfox entwickelt und seit Ende 2017 in München erfolgreich den Öl- und Schmierstoff-Handel digitalisiert. Darüber hinaus haben wir mit Smight eine interne Ausgründung vollzogen. Smight ist unsere erste „Micro Business Unit“ (MBU) und momentan mit dem Geschäftsmodell „Sensor Data as a Service“, das aus der Entwicklung der smarten Straßenlaterne entstanden ist, erfolgreich im Markt.

Innovations-Campus der EnBW in Karlsruhe mit einem Smart Elektro-Auto im Vordergrund. Liefern neue Geschäftsmodell
Innovations-Campus der EnBW in Karlsruhe

Erdgas Südwest: Mit Virtual Power Plants (VPP) haben Sie auch ein innovatives Angebot für Handelspartner geschaffen. Wie lief hier der Prozess „von der Idee zur Lösung“ ab und was haben die Kunden davon?

Uli Huener: Mit Gründung von EnBW Innovation war uns klar, dass Kleinteiligkeit und Dezentralität marktrelevant werden. Wir haben uns daher sehr früh auf die Entwicklung einer Plattform konzentriert, die in der Lage ist, Verbraucher und Erzeuger von Kleinanlagen zu verbinden und dies auf Basis exzellenter Prozessautomatisierung umzusetzen. Daraus ist das „virtuelle Kraftwerk-Team“ der EnBW entstanden, das mittlerweile über neue Marktakteure, wie beispielsweise Projektierer, ein gutes Produkt sowie einen guten Marktzugang gefunden hat. Mit den Geschäftsmodellen Direktvermarktung und Smart Energy können Kunden im mittleren Segment bedient werden – kleinteiliges Flexibilitätsmanagement als drittes Geschäftsmodell erschließt eine kritische Fähigkeit für die EnBW. Wir sind von der Zukunft dieser Plattformdienste überzeugt, daher wird das VPP-Team auch die nächste interne Ausgründung als MBU.

Erdgas Südwest: Und was sind die Trendthemen, die Sie aktuell bewegen?

Uli Huener: Die grundsätzlichen Treiber der Energiewende sind unverändert gültig. Was passiert im Markt, wenn die Förderung ausläuft? Wann werden neue Technologien wie Blockchain oder künstliche Intelligenz neue Geschäftsmodelle in unserem Markt ermöglichen? Was bedeutet die Sektorkopplung für die EnBW? Wo entstehen im Rahmen des nächsten Infrastruktur-Upgrades neue Opportunitäten für uns? Aus Kundensicht bleiben Themen wie Autarkie, Eigenverbrauch, Nachhaltigkeit und Einfachheit nach wie vor ganz oben auf der Liste.

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Digitale Geschäftsmodelle, intelligente Lösungen und neue Chancen…

Erdgas Südwest: Der Klimawandel erhitzt die Gemüter. Legen Sie hierauf ebenfalls einen besonderen Fokus bei Ihrer Arbeit?

Uli Huener: Fast alle unsere Start-up-Teams arbeiten an Themen, die auf Nachhaltigkeit einzahlen. Jedes digitale Geschäftsmodell reduziert den Ressourcenverbrauch. Intelligente Lösungen, wie die von Smight, sparen zum Beispiel Ressourcen bei der Optimierung von Verkehr und Parkplatzsuche. VPP trägt als Ergänzung zum Bau von EE-Anlagen seinen Teil dazu bei, die Dezentralisierung der Energieversorgung möglich zu machen. Generell gilt, dass sich ein neues Geschäftsmodell ohne Sinn und Bezug zu Nachhaltigkeit zukünftig im Markt schwer tun wird. Das sollten wir als Chance begreifen, uns neu zu erfinden.

Erdgas Südwest: Mit der Investition in externe Start-ups beschreiten Sie außerdem einen weiteren Weg, um Ideen zur Marktreife zu treiben. Was ist der Unterschied zu den internen Start-ups?

Uli Huener: Neben unseren eigenen Ideen wollten wir sicherstellen, dass wir von den Start-up-Aktivitäten außerhalb der EnBW lernen und profitieren. Deswegen haben wir die EnBW New Venture als unseren eigenen Investment-Arm für externe Start-ups gegründet. Damit verfolgen wir hautnah die Aktivitäten im Markt und können frühzeitig Trends erkennen, die für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit im Kerngeschäft relevant sind. Es gibt immer weniger Unterschiede zwischen externen und internen Start-ups, die Herausforderungen sind sehr ähnlich und die relevanten Wachstumstreiber und Erfolgsfaktoren ebenso. Uns ist es in den letzten Jahren immer besser gelungen durch entsprechende Rahmenbedingungen ein Umfeld zu schaffen, das unseren eigenen Start-ups Geschwindigkeit und unternehmerischen Freiraum wie bei Externen ermöglicht. Hier können wir als EnBW einen riesigen Wettbewerbsvorteil generieren, wenn wir es schaffen, unsere Fähigkeiten und unser Know-how in neue Lösungen zu gießen.

Erdgas Südwest: Mal abgesehen von den Geschäftsmodellen sind Wandel und Fortschritt eines Unternehmens auch immer mit kulturellen Aspekten verbunden. Die Mitarbeiter müssen schließlich hinter dem stehen, was sie tun. Wie regeln Sie das bei der EnBW?

Uli Huener: Die kulturellen Aspekte sind in einem Unternehmen mit der Historie einer EnBW immer eine Herausforderung. Wir versuchen über regelmäßigen Austausch, viel Kommunikation und diverse Veranstaltungen immer wieder zu erklären, was wir tun, warum wir das tun und was dabei herauskommt. Wir binden Mitarbeiter durch die Projektarbeit ein und nehmen deren Ideen mit in unsere Portfoliobetrachtung auf. Damit machen wir Zuschauer und Kritiker zu Beteiligten und Mitmachern. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess, wir sehen aber, dass wir damit bereits viel bewegen konnten.

Erdgas Südwest: Was würden Sie als das größte Risiko in Ihrem Job beschreiben?

Uli Huener: Ähnlich wie bei einem Venture-Capital-Unternehmen im Markt, dass wir den Beweis der kommerziellen Relevanz von Innovationen mittelfristig schuldig bleiben! Denn dann würde unsere Daseinsberechtigung in Frage gestellt.

Vielen Dank für das Gespräch

Links

Weitere Infos zum Innovation Management und dem Virtuellen Kraftwerk https://www.enbw.com/unternehmen/konzern/innovation/

Energie von allen für alle – das Virtuelle Kraftwerk der EnBW

Bei einem Virtuellen Kraftwerk (engl. VPP = Virtual Power Plant) handelt es sich vereinfacht gesprochen um den Zusammenschluss dezentraler Stromproduzenten wie z. B. Besitzern von Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen oder Blockheizkraftwerken zu einem virtuellen Verbund. Eine digitale Plattform übermittelt die Daten der Anlage automatisch an den VPP-Betreiber, der die Produktion prognostiziert, analysiert und unter Berücksichtigung des Eigenbedarfs des Kunden steuert sowie verkauft. Somit wird durch die Verknüpfung kleinteiliger Stromerzeuger und Verbraucher von Erneuerbarer Energie mit den Energiemärkten die Energiewende unterstützt. Davon profitieren einzelne Verbraucher genauso wie der Betreiber, der eine geringe Pauschale für die Plattform-Dienstleistung verlangt. VPP-Lösungen werden in Zukunft immer wichtiger, weil die für 20 Jahre garantierte EEG-Vergütung in den Folgejahren bei vielen Kleinproduzenten ausläuft. Diese stehen somit vor der Herausforderung, ihren Strom weiterhin profitabel ohne großes Energie- und Börsenwissen zu vermarkten.

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