Haus mit Leitungen im Querschnitt zum Thema biotark privat von Erdgas Südwest

08.06.2017

Rheinland-Pfälzer baut sich ein biotarkes Haus

„Ich will unabhängig sein”

Im rheinland-pfälzischen Rülzheim entsteht gerade ein Zweifamilien-Haus, das sich möglichst autark mit Strom und Wärme versorgen soll. Und sogar mehr als das: der Plan sieht vor, dass es mehr als dreimal soviel Strom produziert als es selbst benötigt und seinen überschüssigen grünen Strom ins Netz einspeist. Kann so die Energie-Zukunft aussehen? Eine Zukunft, in der man unabhängig ist von einer Strom- und Wärmeversorgung von außen? Wir waren auf Stippvisite in Rülzheim.

Eva, Markus und der zweijährige Karl Bouché sind eine ganz normale Familie. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass diese Familie in puncto Energie so richtig aus der Reihe tanzt.

Ein Blick auf das Dach ihres Rohbaus im Rülzheimer Neubaugebiet ist jedoch ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass dieses Haus ganz anders tickt als die Nachbarhäuser. Denn auf diesem Dach findet man mehr als die üblichen zwei Quadratmeter Fotovoltaik. Nicht nur die Südseite, auch die gesamte Nordseite der 221 qm großen Dachfläche ist voll gepackt mit PV-Elementen. Zusätzlich sitzen auf der Südseite nochmals 30 qm Röhrenkollektoren, die solarthermisch die Wärme der Sonne einfangen. Etwa 11.400 kWh Wärme und 26.000 kWh Strom soll das Zweifamilienhaus im Jahr selbst erzeugen – und damit mehr als dreimal soviel Strom als seine Bewohner pro Jahr verbrauchen werden.

Markus Bouché hat das selbst ausgerechnet. Als Ingenieur der Versorgungstechnik gehört das zu seinem Beruf. „Ich wollte einfach wissen, ob das nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis machbar ist: ein Haus bauen, das seinen Strom und seine Wärme eigenständig und dabei so nachhaltig wie möglich produziert, das energetisch unabhängig ist von einer zentralen Energieversorgung und das man sich als junge Familie auch leisten kann”, so der technikverliebte Mittdreißiger.

Tipp 1 zum biotarken Haus:

Sehr gut dämmen.

Seit zwölf Monaten plant und baut er inzwischen an seinem Traumhaus. Neben den Wünschen an Komfort und Wohnlichkeit musste er von Anfang an vieles bedenken. „Das fängt bereits mit der Frage an, mit welchem Material man die Mauern und das Dach plant”, so Bouché. „Denn jede kWh Energie, die das Haus nicht verliert, muss man schon nicht erzeugen.” Darum wurden die Außenwände mit 49 cm dicken Dämm-Ziegelsteinen gemauert, Wärmeschutzfenster mit einem Uw-Wert von 0,80 W/(m2K) eingebaut und auch das Dach wurde mit speziellen Dämmelementen gedeckt. „Ich habe ausgerechnet, dass mein Zweifamilienhaus mit insgesamt 256 qm Wohnfläche auf diese Weise nur noch etwa 13.000 kWh Energie pro Jahr verbrauchen wird. Das ist weniger als die Hälfte der Energie, die ein KfW 40-Haus benötigen darf”, freut sich Bouché. Der KfW 40-Standard verlangt, dass ein Haus nur 40 % der Energie eines energieeffizienten Referenzhauses benötigen darf, damit man Anspruch auf eine entsprechende Förderung hat.

Tipp 2 zum biotarken Haus:

Energie aus regenerativen Quellen gewinnen.

Das Rülzheimer Ausnahmehaus geht sogar noch einen Schritt weiter, denn es erfüllt sogar die Anforderungen des KfW 40 Plus-Pakets. Darin wird eine ausgeklügelte Haustechnik gefordert: eine Fotovoltaikanlage, mit der erneuerbarer Strom gewonnen wird, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, ein stationärer Stromspeicher und ein Benutzerinterface, über das sowohl Stromverbrauch als auch Stromgewinnung visualisiert werden kann. All dies hat Markus Bouché berücksichtigt.

So ist das Dach seines Hauses mit insgesamt 108 Fotovoltaik-Modulen ein Sonnenfänger im großen Stil. „Ich lass die Sonne für mich arbeiten und freue mich über die natürlich gewonnene Energie”, so Bouché. Mit diesen Modulen will er innerhalb eines Jahres rund 26.000 kWh eigenen grünen Strom produzieren. Nur etwa 8.000 kWh davon plant die Familie selbst zu verbrauchen.

Auf Sonnenkraft setzt der Hausherr auch in Bezug auf seine eigene Wärmegewinnung. Dafür sorgt eine rund 30 qm große Solarthermie-Anlage, mit der er es seiner Familie auch an kalten Wintertagen schön kuschelig warm machen möchte.

Tipp 3 zum biotarken Haus:

Energie in großem Maß speichern.

Doch da sich Sonnenenergie nicht immer gerade dann, wenn man sie auch benötigt, einfangen lässt, muss man sie speichern, um sie jederzeit nutzen zu können.

„Das Speichern der Energie ist eine der wichtigen Kernfragen eines solchen Konzepts”, so Bouché – also werfen wir mal einen Blick auf Puffer- und Batteriespeicher, die das Herz seiner Energieanlage darstellen:

Mit dem Batteriespeicher lassen sich circa 25 kWh Strom speichern. Der Solarstrom der Fotovoltaik-Anlage wird hier zwischengespeichert und steht dann nachts oder an ertragsschwachen Tagen zur Verfügung. Dadurch wird der Autarkiegrad des Hauses auf über 90 % erhöht.

Nicht weniger wichtig und optisch viel dominanter präsentiert sich der Pufferspeicher der Familie. Mit 2 m Durchmesser und 9,2 m Höhe erstreckt er sich über drei Stockwerke, vom Erdgeschoß über das 1. Obergeschoß bis ins Dachgeschoß. 16.500 Liter Wasser befinden sich darin. Diese werden durch den Solarthermie-Kreislauf ständig bis auf 90 Grad erhitzt. 20 cm Wärmeisolierung halten die Wärme dann sicher in diesem „Riesen-Kochtopf” fest – bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie für die Fußboden- und Wandheizung im Haus benötigt wird. „Bei Bedarf können wir über einen Elektro-Heizstab dann noch unseren grünen Strom in Wärme für den Pufferspeicher umwandeln und sind damit auch an besonders kalten Wintertagen gut versorgt”, erläutert Bouché die Verbindung der beiden Systeme.

Tipp 4 zum biotarken Haus:

Finanzierbarkeit und Wohnkomfort in Einklang bringen.

Er rechnet sogar damit, mit seiner Fotovoltaikanlage mehr Energie zu produzieren als er selbst benötigt. Den Überschuss speist Bouché dann in das öffentliche Netz ein und erhält dafür eine entsprechende Vergütung. „So haben meine Nachbarn auch was von meinem Solarstrom”, freut sich Bouché „und diese Einnahmen will ich ja dann auch mit meinen höheren Investitionen verrechnen”.

Denn der junge Familienvater musste, wie andere Bauherren auch, spitz kalkulieren, um sich sein Traumhaus leisten zu können. Immerhin belaufen sich die Mehrkosten für seine besondere Haustechnik auf 100.000 Euro. „Aber unterm Strich wird meine monatliche Belastung nicht höher sein als die meiner Nachbarn, die auch gerade neu bauen”, erläutert er. „Denn einerseits arbeitet das Haus durch den Energie-Überschuss fleißig mit, um sich selbst abzuzahlen – und andererseits kann ich durch den hohen energetischen Standard einige Förderungen in Anspruch nehmen.” Darüber hinaus hat er wie viele junge Bauherren an den Feierabenden und Wochenenden auf seine Muskelhypothek gesetzt. Und zu guter Letzt kommen ihm die aktuell niedrigen Darlehnszinsen entgegen und auch die Miete für das 1. Obergeschoß ist mit einkalkuliert. „Meine Eltern werden oben einziehen. So helfen sie uns nicht nur, indem sie hin und wieder auf Klein-Karl aufpassen, sondern eben auch indem sie uns Miete zahlen.”

biotark bedeutet „biologisch” und „autark”

„Ein solches Haus nennen wir biotarkes Haus – eine Wortkreation aus biologisch und autark”, so Ralf Biehl, selbst ambitionierter Energie-Visionär und Geschäftsführer des regional agierenden Energiedienstleisters Erdgas Südwest. „Denn es setzt auf nachhaltig erzeugte Energie und soll sich möglichst autark versorgen.” Gemeinsam mit seiner Tochterfirma AutenSys begleitet das Unternehmen seine Kunden von der Planung der eigenen individuellen Energiezukunft über den Einbau der dafür notwendigen Technik bis hin zum Anschluss des Hauses an das Energienetz, um je nach Bedarf Energie zu beziehen oder abgeben zu können. Er glaubt daran, dass Häuser wie dieses in Rülzheim eine Leuchtturm-Funktion erfüllen. „Nicht jeder wird den gleichen Weg gehen wollen wie die Familie Bouché – aber ich bin überzeugt davon, dass mancher sich gerne ein bißchen davon abschaut und wir damit nach und nach dem Ziel der Energieautarkie näher kommen.”

Dieses Ziel ist für Markus Bouché bereits zum Greifen nah. Im September will er mit seiner Frau und seinem Sohn in sein nachhaltiges Heim einziehen. Jetzt müssen nur noch die Fußbodenheizung und die Fußböden gelegt, die Innentüren gesetzt, die Wände gestrichen und die Bäder fertiggestellt werden. „Bis jetzt war es ein tolles Abenteuer – aber ein gut kalkuliertes. Und ich bin schon sehr gespannt, wie meine Rechnung aufgeht.” Ende des Jahres werden wir von seinen ersten Erfahrungen mit seinem biotarken Haus berichten.

Wenn Sie mehr über das "Greem Home Bouché" erfahren möchten, besuchen Sie bitte folgende Webseite.

Markus Bouché steht auf dem Dach des Green Home Bouché