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Debatte: Wasserstoff – Zukunftsenergie oder Sackgasse?

Welche Rolle wird Wasserstoff in der Energiewende spielen? Darüber diskutierten am Donnerstag dieser Woche drei ausgewiesene Experten auf Einladung der Stiftung Energie und Klimaschutz in Stuttgart. In der Diskussion wurde deutlich, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie Wasserstoff für den Klimaschutz eingesetzt werden kann.

Gestern fand in Stuttgart die Veranstaltung „Wasserstoff: Zukunftsenergie oder Sackgasse?“ statt. Geladen hatte zu diesem „Debattenabend“ die Stiftung Energie und Klimaschutz, um mit dem interessierten Publikum und ausgewiesenen EnergieexpertInnen all die Fragen zu diskutieren, die inzwischen um das grüne Gas Wasserstoff in der Öffentlichkeit kursieren. Unbestritten ist, dass Wasserstoff in der Energiewende eine zentrale Rolle als Speicher von erneuerbaren Energien spielen kann. Allerdings ist die Herstellung von Wasserstoff bislang teuer und wenig effizient. Und woher soll der erneuerbare Strom kommen, der für einen klimaneutralen Einsatz von Wasserstoff erforderlich ist? Oder wollen wir Wasserstoff künftig importieren? Ob für Verkehr, Heizung oder Industrie: Welche Rolle kann der Wasserstoff spielen, um die völkerrechtlich festgezurrten Klimaschutzziele zu erreichen?

Wasserstoff stößt auf großes Interesse

Dass das Thema Wasserstoff in der Energiewende inzwischen weit über eine Fachöffentlichkeit von Energieexperten hinaus auf Interesse stößt, zeigte die rege Beteiligung an dem Debattenabend. Über 200 Zuhörer hatten sich eingefunden, trotz des technisch geprägten Themas. Wasserstoff gilt offenbar inzwischen bei vielen Menschen als echte Alternative zu anderen Konzepten der Energienutzung und vor allem im Bereich Verkehr als Alternative zur von einigen abgelehnten Elektromobilität.

Als Experten hatte die Stiftung Dr. Christian Jung, MdB für die FDP und Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Dr.-Ing. Claus Beckmann, Leiter der Abteilung Energie, Klima und Umweltpolitik bei dem Unternehmen BASF SE, sowie Anne Köhler, Leiterin der Fachabteilung Gas, Dekarbonisierung und digitale Energiewende beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne), auf das Podium gebeten.

Debatte Wasserstoff: Publikum
Großes Publikumsinteresse für den Debattenabend zum Thema Wasserstoff in Stuttgart. Foto: Wolfgang List

Die sechs Arten des Wasserstoff

Einig waren sich alle Experten, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle in der Energiewende spielen muss. Anders lasse sich das anspruchsvolle Projekt, die komplette Energieversorgung klimafreundlich zu gestalten, nicht erreichen. Zunächst aber wurde der Wasserstoff an sich betrachtet. Hier stellte Claus Beckmann, der bei der BASF intensiv die Erzeugung von Wasserstoff erforscht, die verschiedenen Arten dieses Gases vor. Diese unterscheiden sich in Bezug auf die Erzeugung und werden in unterschiedlichen Farben bezeichnet..

Grüner Wasserstoff: Dieser Wasserstoff wird unter Einsatz von erneuerbarem Strom mit Hilfe der Elektrolyse aus Wasser erzeugt. Der Vorteil besteht hierbei in der Klimaneutralität dieses Prozesses. Problem ist allerdings, dass dafür viel Energie benötigt wird.

Infografik Grüner Wasserstoff

Grauer Wasserstoff: Hier wird der Wasserstoff unter Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas, Öl) erzeugt. Problem dabei: Es wird CO2 freigesetzt. Damit ist grauer Wasserstoff nicht klimaneutral. Allerdings könnte grauer Wasserstoff für eine Übergangszeit notwendig sein, um diese Neuorganisation des Energieverbrauchs zum Beispiel im Wärmesektor anzuschieben.

Infografik Grauer Wasserstoff

Blauer Wasserstoff: Hierbei handelt es sich eigentlich um grauen Wasserstoff. Allerdings wird bei der Erzeugung das dabei entstehende CO2 nicht in die Atmosphäre geleitet, sondern klimaneutral in  unterirdischen Lagerstätten gespeichert.

Infografik Blauer Wasserstoff

Türkiser Wasserstoff: Hier wird bei der Erzeugung ein anderes Verfahren angewendet, das von der BASF federführend entwickelt wurde. Es handelt sich um die so genannte Methanpyrolyse. Dabei wird das Gas Methan (Hauptbestandteil von Erd- bzw. Biogas) in Kohlenstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der Kohlenstoff liegt dann in fester Form vor (siehe Foto) und kann in alten Bergwerksstollen eingelagert werden. Dieses Verfahren ist dann klimaneutral, wenn der dabei benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass bei der Herstellung wesentlich weniger Energie benötigt wird, als bei der Erzeugung des Blauen Wasserstoffs. Claus Beckmann erklärte, dass man hier von einem Faktor 5 ausgehen kann. Das hängt damit zusammen, dass der „Rohstoff“ Methan eben an sich bereits so viel mehr Energie enthält, als das Wasser, das bei der Erzeugung des Blauen Wasserstoffs eingesetzt wird.

Infografik Türkiser Wasserstoff

Roter Wasserstoff: Dieser Wasserstoff wird zwar klimaneutral erzeugt, allerdings mit Strom aus Kernkraftwerken, die ja Strom ohne CO2-Emissionen erzeugen. Dieser Ansatz wird zum Beispiel in Japan verfolgt, um den Heizungssektor mit Brennstoffzellenheizungen klimafreundlicher zu organisieren. Roter Wasserstoff wird manchmal auch als rosa, violetter oder gelber Wasserstoff bezeichnet.

Weißer Wasserstoff: Ist zwar selten, aber tatsächlich kann man in einigen Weltgegenden wie zum Beispiel in Afrika natürliche Vorkommen von Wasserstoff mittels Frackingtechnologien gewinnen.

Kohlenstoff-Pellets Methanpyrolyse
Kohlenstoff-Pellets als Ergebnis aus der Methanpyrolyse, bei der aus Methan Wasserstoff erzeugt wird.

Wasserstoffstrategie der Bundesregierung in der Kritik

Die Podiumsdiskussion kreiste zum großen Teil um die so genannte Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. Hier kritisierte der Vertreter der FDP, dass die beiden federführenden Ministerien – Wirtschaft bzw. Umwelt – sich nicht einig seien. Daher sei keine klare Zielrichtung der Strategie zu erkennen, was noch zu Problemen führen könne. Eine ähnliche Einschätzung war von Anne Köhler zu vernehmen. Sie vermisste ebenfalls eine klare Zielvorgabe, weil es keine Priorisierung gebe, in welchem Bereich man zuerst Wasserstoff einsetzen wolle. So sei der extrem wichtige Wärmemarkt, der aktuell etwa 50 % der Energie verbrauche, nur mit 4 Zeilen erwähnt. Das sei zu dürftig. Deswegen sei die Wasserstoffstrategie zwar ein wichtiger Anfang, alle Sektoren der Energienutzung – Verkehr, Wärme, Industrie – zu dekarbonisieren, aber insgesamt sei alles etwas wirr.

Woher kommt der Strom für die Erzeugung von Wasserstoff?

Ob die Energiewende überhaupt mit inländischer erneuerbarer Energieerzeugung zu schaffen sei, stelle Claus Beckmann für die BASF in Frage. So sei es zwar Konsens, dass in Deutschland selbst etwa 1.000 Terrawattstunden (TWh) erneuerbarer Strom pro Jahr erzeugt werden könne. Das sei angesichts des Stromverbrauchs von etwa 600 TWh eigentlich eine gute Nachricht. Allerdings ist der Strom nur ein Teil des Energiebedarfs. So benötige die chemische Industrie in Deutschland, für die er sprechen könne, allein für ihre Prozesse 630 TWh, um komplett klimaneutral zu produzieren. Und dabei seien ja andere energieintensive Branchen wie die Zement- oder die Aluminiumindustrie noch gar nicht berücksichtigt. Deswegen plädierte Beckmann dafür, sich zunächst um die Bereiche zu kümmern, wo der Einsatz von Wasserstoff am meisten für das Klima bringe. Das sei zum Beispiel bei der Beheizung von Gebäuden nicht der Fall. Hier müsse man vor allem durch bessere Isolierung den Energiebedarf senken. Auch beim Pkw-Verkehr sei der Einsatz aus seiner Sicht nicht sinnvoll. Denn hier könne man aus Gründen der Effizienz mehr mit batteriebetriebenen Fahrzeugen erreichen.

Wasserstoff im Verkehr – ja oder nein?

Beim Thema Wasserstoff im Verkehr war man sich auf dem Podium nicht einig. Christian Jung warb für die Position der FDP und forderte eine Abkehr von dem aktuell von der Bundesregierung verfolgten Konzept der Förderung der Elektromobilität. Es müsse mehr Technologieoffenheit hergestellt werden. Auch seien mehr Hybrid-Konzepte bei Fahrzeugen notwendig und überhaupt sei die Dieseltechnologie noch nicht am Ende der Entwicklung. Er gab auch zu bedenken, dass die deutsche Autoindustrie über 600.000 Arbeitsplätze bereitstellt und diese bei einem Umbau hin zur Elektromobilität gefährdet seien. Anne Köhler setzte beim Thema Verkehr andere Akzente. Der Einsatz von Wasserstoff im Schwerlastverkehr, also bei Lkws, im Schiffsverkehr oder auch in der Luftfahrt, sei sinnvoll. Dort sei es notwendig, eine hohe Energiedichte mit wenig Gewicht zu erhalten. Das sei mit Akkus einfach nicht zu schaffen. 

Christian Jung brachte auch das Thema e-Fuels ins Spiel. Diese künstlichen Treibstoffe könnten in Südeuropa oder Nordafrika aus erneuerbarer Energie erzeugt und dann relativ problemlos nach Europa transportiert werden. Claus Beckmann äußerte sich zu diesen Vorstellungen skeptisch. Die Energieeffizienz von e-Fuels sei extrem schlecht. Während bei einem Akkusystem fast 90 % der Energie des Stroms in Bewegungsenergie umgesetzt werden könne, seien es bei den künstlichen, aus Strom erzeugten Treibstoffen nur 17 %. Das sei einfach ineffizient. Dem stimmte Anne Köhler zu: „Diese Umwandlungsverluste können wir uns einfach nicht leisten.“

Debatte Wasserstoff: Podiumsgäste und Stiftungsvorstand
Von links: Katharina Klein (Vorstand Stiftung), Claus Beckmann (BASF), Anne Köhler (bne), Christian Jung (FDP), Kimsy von Reischach (Moderation), Holger Schäfer (Vorstandssprecher Stiftung), Ulrike Steinbrenner (Vorstand Stiftung) Foto: Wolfgang List

Wo kommt der Wasserstoff her?

Diskutiert wurde auch die Frage, wo der Wasserstoff erzeugt werden soll. „Ich sehe nicht, dass Deutschland der Hauptproduzent von Wasserstoff wird. Wir sollten die Technik dafür entwickeln und diese exportieren,“ erklärte Christian Jung. Hierzulande sei einfach zu wenig Platz für die Anlagen und in Südeuropa, Nordafrika oder auch in Saudi-Arabien der Zugriff auf erneuerbare Energien erfolgversprechender. Das könne außerdem auch eine wirtschaftliche Perspektive für die dortige Bevölkerung bieten. Claus Beckmann hatte mit diesem Szenario im Prinzip kein Problem. Deutschland importiere schon jetzt einen Großteil seiner Energie. Allerdings gab er zu bedenken, dass in den genannten Regionen das benötigte Wasser knapp sei. Daher werde man Meerwasser in Entsalzungsanlagen aufbereiten müssen, was viel Energie benötige und die Gesamtbilanz negativ beeinflusse.

Fazit

Wasserstoff wird eine zentrale Rolle bei der Energiewende einnehmen, da waren sich alle Podiumsgäste einig. Nur welche Bereiche der Energienutzung damit als erste neu organisiert werden, darüber herrschte kein Konsens. Während Christian Jung auf einen großflächigen Einsatz im Pkw-Verkehr beharrte und dafür sogar Wasserstoff aus Strom von iranischen Atomkraftwerken einsetzen will, sahen das Claus Beckmann und Anne Köhler differenzierter. Sie forderten eine Konzentration auf Einsatzbereiche, die ansonsten nur schwer dekarbonisiert werden können: der Schwerlastverkehr, Industrieanwendungen mit hohem Temperaturbedarf oder auch Wasserstoff als saisonaler Speicher für die Wärmeversorgung von Gebäuden. In einem Punkt waren sie sich jedoch einig: Alle forderten eindeutigere Rahmenbedingungen von der Bundesregierung.

Foto Titelbild: Wolfgang List

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